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Verfrühtes Morgen

Photo by Adrien King on Unsplash
Photo by Adrien King on Unsplash

Wir leben in einer Zeit, in der eigentliche 24stündige Tag zu einer Herausforderung wird.

Die Zeit, die man durch natürliche Gegebenheiten eben hat, reicht nicht mehr.

Wir haben tausend Dinge zu tun und erledigen mindestens ein Drittel davon mit einem Aufmerksamkeitsdefizit. Das Defizit betrifft nicht uns als Menschen oder unseren Charakter, sondern viel mehr die Dinge, die wir erledigen; abhaken. Wir sind unkonzentriert, der Fokus schwindet mit jeder Minute, wir lenken uns ab oder lassen uns ablenken, wir bearbeiten diese Dinge halbherzig. Das Resultat spricht in diesem Drittel für sich.

 

Das zweite Drittel der Dinge sind Alltag. Die Dinge, die durch gegebene Anlässe zu einer Routine wurden und deshalb fest integriert sind. Schlafen, duschen, arbeiten, essen, (Kaffee!) trinken. Viel falsch machen kann man in einer Routine nicht. Außer, man kippt zu viel Milch und zu wenig Kaffee in eine Tasse. Das ist sehr falsch!

 

Das letzte Drittel ist die leere Zeit und umfasst die Momente, in denen wir weder produktiv arbeiten noch irgendetwas Gutes für uns selbst tun. Ich erwische mich immer öfter in diesen Momenten; in diesen Leerläufen. Viele Menschen betiteln die „nicht strukturierte“ Zeit ihres Tages gern als Freizeit. Problematisch wird es aber dann, wenn man sich ehrlich vor Augen hält, wie frei diese Zeit wirklich ist und wie viel Freiheit wir uns selbst ermöglichen.

 

Ein Leerlauf ist für mich keine Freizeit. Denn Freizeit assoziiere ich persönlich mit Dingen, die mich erfüllen, mir Spaß machen und mir guttun. In den meisten Fällen hängen wir jedoch leider teilnahmslos in den sozialen Medien oder versuchen uns zwanghaft zu Dingen zu motivieren. Wir nehmen uns vor allem in diesem Dritten unheimlich viel vor und erfüllen am Ende nur wenig davon.

Natürlich darf man das nicht pauschalisieren, nicht als Regelfall zum Aushängeschild unserer Zeit machen. Und dennoch fällt mir immer wieder auf, wie unzufrieden ich und auch die Menschen in meinem Umfeld sind, wenn es darum geht, wie wenig sie von den Dingen anpacken, die sie sich vornehmen. 

Es ist nun 18:09 Uhr am 02.03.2019 und die Zeit rennt fürchterlich. Der Gedanke an Weihnachten und Silvester ist zum Greifen nah. Der Gedanke jedoch, dass heute auch wirklich „heute“ ist, ist mir wahnsinnig fremd. Diese Zeit ist geprägt von viel zu schneller Zeit, viel zu wenigen wirklich wichtigen Momenten. Wir sind geprägt von Schnelllebigkeit. Wir denken viel zu wenig an uns und an unsere Wünsche. Wir sind mit manchen Dingen einfach viel zu beschäftigt.

 

Social Media

Zu einem ganz großen Teil sind die sozialen Medien nicht unschuldig an diesem Phänomen. Wir verbringen immer mehr Zeit damit, passende Bilder, trendige Hashtags und stilvolle Texte zu veröffentlichen oder unsere Gefolgschaft mit coolen und nützlichen Stories auf dem Laufenden zu halten oder schauen uns unzählige, kurze Videos an; meistens Lifehacks, Videos von süßen Tierchen oder Clips von Essen. Ich bin mir sicher, dass sich hier der ein oder andere angesprochen fühlt.

Fraglich ist dabei nicht nur die Nützlichkeit der Dinge, die wir erledigen, fraglich ist auch, wie viele Stunden wir dafür opfern. Und das sind nicht, wie Richtwerte wärmstens empfehlen „nur“ 30min. am Tag, sondern schlimmstenfalls mehrere Stunden. Es fängt an mit YouTube und hört auf mit WhatsApp.

An dieser Stelle möchte ich auf manche digitalen Gadgets hinweisen, die eure Handynutzung tracken. Es ist erschreckend und interessant zu gleich, wie viel Zeit wir in wie viele Apps oder Programme stecken.

 

Gesellschaft

Schon immer war der Mensch das Individuum, welches sich ganz hervorragend dafür eignet, um Dinge anzugleichen, die der Gesellschaft kontrovers entgegentreten. Der Mensch ist ein „Rudeltier“, kein Einzelgänger; so gern es manche von euch auch sein möchten. Wir sind nicht dafür gemacht, ein Leben lang als Eigenbrötler oder Aussteiger in einer einsamen Hütte zu leben. Gleichzeitig sollten wir uns von der Gesellschaft als Werte- und Moralkonstrukt nicht so stark beeinflussen lassen, dass wir uns anpassen und am Ende der eigenen Geschichte keine Farben mehr tragen, sondern lediglich die Massengrautöne sind; verwechselbar, normal, einfach. Ein Mittelweg zu finden ist nicht leicht, aber möglich. Das ist aber ein ganz eigenes Thema.

Was ich damit also eigentlich sagen möchte: Wir Menschen lassen uns viel zu stark und viel zu oft vom Leben anderer beeinflussen. Wir passen uns an, wir verändern uns; eben nicht nur optisch. Wir krempeln unsere Ernährung um, unseren Lebensstil, unsere Meinung und am Ende unser Leben. Wir lassen viel zu oft zu, dass Menschen in unser Leben treten und dieses verändern wollen. Was aber für diese Thematik viel wichtiger ist, ist die Tatsache, dass wir viel zu oft zulassen, dass wir eine Art Neid verspüren, wenn wir erfolgreiche Menschen sehen. In solchen Momenten sind wir unfair zu uns selbst, wir sind selbstkritisch und machen uns und unser Leben klein. Wir sind unzufrieden und lassen uns von so einfachen Dingen, wie die Reichweite von „öffentlichen Persönlichkeiten“ treiben und vergleichen daran unseren eigenen Erfolg. Und das frisst wahnsinnig viel Zeit, Energie und Lebensfreude.

 

Unzufriedenheit

Die Problematik, die von vielen Menschen gefürchtet und gleichzeitig unterschätzt wird. Unzufriedenheit hat nicht immer nur einen Grund, oftmals sind es viele Kleinigkeiten, die uns aus der Bahn werfen und uns zum permanenten Nachdenken anregen. Unzufriedenheit hat nicht nur ein Gesicht. Unzufriedenheit ist nicht immer leicht behebbar. Und vor allem hat unsere Unzufriedenheit immer einen Einfluss auf die Art und Weise, wie wir leben. Wenn es Dinge gibt, die uns unzufrieden machen, die uns zweifeln lassen, dann ist das meistens mit ganz viel Grübelei verbunden. Und diese Grübelei frisst Energie. Diese Energie, die wir bräuchten, um andere Dinge zu bewältigen.

 

Ansprüche

Wir Menschen sind nicht nur Rudeltiere, nein, wir sind auch sehr anspruchsvoll. Die einen gegenüber anderen Menschen mehr, die anderen eher weniger. Wenn es jedoch um sich selbst geht, können die Ansprüche nicht hoch genug sein. Das ist, was ich in meinem Alltag und meinem Umfeld immer wieder sehe. Hohe Ansprüche, noch höhere Anforderungen an sich selbst. Immer größer, immer weiter, immer mehr, mehr, mehr. Was dabei jedoch immer vergessen wird: Mensch ≠ Maschine.

Wir sind nicht dafür gemacht, immer höher, immer weiter zu fliegen. Damit meine ich nicht, dass Ansprüche an sich selbst und der damit verbundene Ehrgeiz schlecht sind, ganz und gar nicht. Aber das gilt dann auch nur für gesunde Ansprüche. Viel zu oft bin ich Menschen begegnet, die Wunder von sich selbst erwarten; sei es rasend schnelle Heilung von physischen oder psychischen Erkrankungen, eine 18-Punkte Klausur in der Juristerei oder auch der Abnehmwahn (20kg in fünf Wochen). Das sind keine gesunden Ansprüche. Sowas gehört in die Rubrik „not possible“. Ansprüche nicht zu erreichen macht unzufrieden. Problematisch wird es dann nur leider, wenn die Menschen denken, es läge an ihnen selbst. Viel mehr liegt es jedoch an den Ansprüchen, die sich setzen.

Resultierend darauf hätten wir Unzufriedenheit. Und Zeitmangel. Warum? Weil wir viel zu verbissen sind, Dinge zu erreichen, die wir vielleicht einfach nicht erreichen können, weil es schlichtweg nicht möglich ist.

 

Fehlende Wertschätzung

Ein mir persönlich sehr wichtiger Punkt ist dieser. Ich ertappe mich immer wieder, wie verbissen und festgefahren ich bin; dass ich einfach unglücklich über mein Leben bin. Dann kam das Grübeln, das Zerpflücken von meinem Leben und den darin enthaltenen Entscheidungen. Ob denn auch alles so „richtig“ war.

Diese Momente passieren mir leider viel zu oft.

Viel zu wenig sind jedoch die Momente, in denen ich wirklich ehrlich wertschätze, was ich hier eigentlich mache. Viel zu selten bin ich stolz auf mich. Viel zu kurz sind die Zeiten, in denen ich zufrieden mit mir und meinen Entscheidungen bin.

Und viel zu groß sind im Gegensatz dazu die Zweifel, die ich durch diese fehlende Wertschätzung meinerseits bekomme. Viel zu oft denke ich darüber nach, was ich falsch mache oder wie ich mich bestenfalls verändern sollte. Viel zu stark versuche ich, mich einzugliedern und mich anzupassen. Und viel zu sehr versuche ich, diesen Momenten zu entfliehen, um mir Zeit und Raum zu geben. Das ist aber falsch. Komplett falsch. Denn dieses Gedankenkarussell schleudert uns irgendwann raus und wir liegen komplett neben der Bahn. Und dann haben wir erstmal wirklich keine Zeit und keinen Raum mehr. 

Was ich mit alledem sagen möchte: Vergesst euch nicht. Vergesst nicht, was wirklich wichtig ist. Und denkt an die Dinge, die zählen. Lasst euch nicht verbiegen, vertraut auf euren Gefühlen (dafür seid ihr Menschen), vertraut euch selbst. Hängt vielleicht mal ein bisschen weniger am Handy und mehr in ‘ner Hängematte; irgendwo. Zweifelt weniger an euch. Lasst die Gesellschaft auch mal einfach nur irgendwer sein.

Und vor allem: Lebt langsamer. Ihr müsst keine 20kg in fünf Wochen; auch nicht in zehn oder zwanzig Wochen abnehmen. Ihr müsst euren Erfolg an keinen Instagram- oder YouTube-Stars messen. Ihr müsst euch nicht selbst verlieren, um irgendetwas zu finden.

 

Das macht nämlich keinen Sinn.

 

Dafür seid ihr zu wertvoll.