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Abbruchsmelancholie (Teil II)

Photo by Ross Findon on Unsplash
Photo by Ross Findon on Unsplash

Etwas aufzugeben, was belastet empfinden wir selbst immer wieder als „schwach“ und schwierig.

Etwas loszulassen, was uns nicht liegt, empfinden wir als „versagen“.

 


Wir sind nicht nur Gewohnheitstiere und scheuen uns vor neuen Herausforderungen und Aufgaben, wir sind auch geprägt von Selbstzweifeln und leben in einer viel zu schnellen Zeit.

Wir fühlen uns schlecht, wenn wir gesund egoistisch an uns denken und Dinge tun, die unser eigenes Wohlempfinden betreffen und lassen Worte viel zu sehr an uns heran.

 


Es ist okay, Dinge ehrgeizig zu verfolgen. Es ist okay, dass man sich nicht schwach fühlen möchte. Es ist okay, dass man auch an schmerzenden Dingen festhält. Es ist okay, dass man nicht versagen will. Es ist okay, dass Dinge wehtun und es ist okay, dass man sich vor neuen Aufgaben scheut.
Aber niemals ist es okay, nicht mal an sich selbst zu denken. Dinge verkrampft weiterführen zu wollen, um die Erwartungen anderer oder die falschen, eigenen Erwartungen zu erfüllen. Es ist nicht okay, sich in Rollen zwängen zu wollen oder sich in Formen pressen zu lassen. Es ist nicht okay, sich selbst vollkommen aufopfern zu wollen. Dafür sollte jeder für sich selbst zu wertvoll sein.

Im vorigen Artikel habe ich von den negativen, beängstigenden und deprimierenden Gefühlen erzählt, die dadurch entstehen (können), dass man Dinge aufgibt und sich neuen Herausforderungen stellt. In meinem Fall ist es ein Studium und die damit verbundene Gewohnheit, das verkrampfte Denken; man müsse alles schaffen können und man sei wahnsinnig schwach, wenn man es nicht täte. Damit verbunden auch das Gefühl zu schweben, abgrundtiefe Angst und die falsche Hoffnung, ich könnte „alles irgendwie doch noch schaffen“.
An diesem Punkt stehe ich.

 

Und dennoch habe ich in den letzten zwei Monaten etwas an mir selbst beobachten können (Selbstreflexion sei Dank!). Wie in jeder Situation im Leben hat auch diese ihre Phasen; eine bestimmte Reihenfolge von Gefühlen und Launen:

 

1. Realisierung
Das schmerzhafteste Gefühl war für mich persönlich der Moment, in dem ich gemerkt habe, dass mir etwas aus dem Ruder läuft. Es war nicht mein Leben als Großes und Ganzes. Viel mehr war ich selbst es. Ruhelosigkeit, tiefe depressive Verstimmungen, Anspannung, eine geringe Reizschwelle; diese Dinge gehörten zu meinem Alltag. Das gravierendste Gefühl war für mich jedoch das Gefühl des Verlierens. Irgendwo auf meiner drei-semester-langen Reise habe ich immer mehr Gefühle, Eigenschaften und Charakterzüge von mir verloren, unterdrückt und verändert, als dass ich neue, wertvolle Eigenschaften erlangt habe. Hobbies wurden geopfert und die kostbare Zeit mit der weit entfernten Familie wurde für mich zu einer Ablauffrist schlechten Gewissens. Das war der Moment, indem sich in mir ein Schalter umlegte. Das wollte ich nicht mehr. Das konnte ich nicht mehr.
Wenn man solche Dinge spürt, sich selbst die eigene Veränderung ansieht und dabei ist, essenzielle Dinge zu opfern, dann sollte man sich fragen, ob all das wirklich so richtig ist. Ist es richtig, sich zu verlieren oder aufzuopfern? Kann es richtig sein, dass kostbare Dinge ihren Wert verlieren? Ich denke nicht.

 

2. Das Grübeln
Jeder kennt es. Jeder kann es an einem bestimmten Punkt nicht leiden. Man zermartert sich den Kopf und seine Gedanken, man sucht verzweifelt nach Lösungen, man krallt sich an alte Hoffnungen. Man kommt immer wieder zum Schluss, dass Festhalten „wirklich nötig“ und Weitermachen „wirklich wichtig“ wären. Eingestehen, dass irgendetwas zu schwer ist, möchte man nicht. Eingestehen, dass manche Dinge vielleicht zu viel sind, möchte man schon gar nicht.
Und deshalb zerbricht man sich täglich den Kopf über eine mögliche Entscheidung und wie man sie trifft. Deshalb bleibt alles immer irgendwie trist und grau.

 

3. Akzeptanz
Irgendwann kommt aber auch der Punkt, an dem man sich eingesteht, dass die Dinge eben vielleicht doch nicht so laufen können, wie sie eben laufen. Dass man für manche Dinge vielleicht einfach nicht gemacht ist. Dass man vielleicht viel bessere Dinge Aussicht hat.
Vor allem kommt dann aber die Akzeptanz, dass man sich selbst vielleicht doch ein wenig zu wertvoll ist, als dass man sich von Umständen völlig zerstören lassen möchte.
Diese Phase ist wahnsinnig wichtig für aktive Schritte Richtung Ziel, um Lösungen zu finden, um Alternativen oder sogar das Richtige zu finden. Vor allem ist diese Phase jedoch wichtig für die eigene Psyche. Denn nach all den Selbstzweifeln und Versagensängsten, nach all den negativen Emotionen kommt mit der Akzeptanz auch ein Stück weit eine Grundlage vom eigenen Selbstwertgefühl.

 

4. Aktiv werden
Auch, wenn wir Gewohnheitstiere sind und recht ungern aus unserer Komfortzone ausbrechen, ist Aktivität wichtig. Damit meine ich jedoch nicht direkt Sport oder körperliche Betätigung, sondern viel mehr den Geist in Wallung bringen und aktiv an Lösungswegen, einem möglichen Ziel oder Alternativen zu arbeiten. Was könnte anstelle der aktuellen Umstände stehen? Was hat dich vor deiner Entscheidung glücklich gemacht oder interessiert? Was haben die Umstände mit diesen Interessen gemacht? Was könnte noch sein?

 

5. Weitsicht
Mir persönlich ist auch dieser Punkt sehr wichtig. Ich bin nämlich typisch „Tunnelblick“ und sehe grundsätzlich nur die Dinge, die unmittelbar vor meiner Nase sind. Und das ist in einer solchen Situation nun wirklich nicht förderlich.
Also Augen auf die Dinge, die in der jeweiligen Situation auch passieren. Nicht nur auf das eigene Unglück oder die eigenen Umstände. Den Blick weiten und auf größere Sachen richten. Sich auch mal anderen Menschen zuwenden. Und ja, auch in solchen Situationen.
Auch damit verbunden ist Weitblick bezogen auf die Möglichkeiten und Mittel, die einem zur Verfügung stehen. Vor allem muss man dann auch sehen, dass der jeweilige Umstand nicht das Ende oder das Einzige ist, was man machen kann.

 

6. Dinge anpacken
Und damit sind wir wieder in unserer bequemen Komfortzone. Denn nichts ist schöner als Gewohnheit. Das könnte man denken, zumindest bis zu einem solchen Zeitpunkt. Denn nur, weil Gewohnheit Dinge enthält, die einer gewissen Reinfolge entsprechen bedeutet es nicht, dass Gewohnheit angenehm ist. Und in einer solchen Situation ist Gewohnheit dann doch eher unangenehm. Was daraus resultiert mögen wir nicht immer, es ist aber essenziell: Aktivität. Und diesmal auch richtig, nicht nur mental. Umstände ändern.

 

 

Warum diese Phasen-Liste? Weil wir viel zu oft vergessen, dass Dinge auch vorübergehen können. Wir verdrängen viel zu oft, dass sich Umstände ändern können und wir in manchen Situationen auch das Glück selbst in der Hand haben können. Es ist wichtig, den eigenen Umstand auch objektiv zu betrachten, Subjektivität bringt oftmals nur noch mehr Schmerz.
Und natürlich muss auch gesagt werden: Es ist okay, dass nicht alles auf Anhieb gelingt. Es ist okay, dass Rückschläge folgen. Es ist okay, dass wir uns und unser Leben nicht immer direkt ändern können. Es ist okay.

Wo ich momentan stehe und was bei mir so passiert folgt in einem kleinen Update-Artikel demnächst!
Ich drücke euch,
eure Phéa