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Abbruchsmelancholie (Teil I)

Photo by Janko Ferlič on Unsplash
Photo by Janko Ferlič on Unsplash

Ein Studium „abbrechen klingt suspekt. Es klingt falsch. Es klingt negativ.


Ein Stück weit stimmt das auch zu. Dinge, die so klingen, können sich nicht anders anfühlen. Also ist es zu einem Stück weit „normal“. Alles andere wäre wahrscheinlich fraglich.

 

Und dennoch empfinden wir es als eine Art Kunst, damit umzugehen. Als eine Art Ruhelosigkeit, wenn man in dieser Situation steckt. Es fühlt sich falsch an, man fühlt sich schlecht. Unsicherheit prägt den Tagesablauf, man fühlt sich als Versager.

 

Trotzdem gibt es auch die Tatsachen, die wir nicht vergessen dürfen. Dinge, die weitaus wertvoller sind. Gefühle, die sich nicht heilen lassen. Und all diese Tatsachen, diese Gefühle…
Diese Gründe dürfen nicht vergessen werden. Und vor allem dürfen sie nicht ausgetauscht oder durch ein stures Ego verdrängt werden. Denn das ist weder uns selbst gegenüber fair, noch ist es hilfreich.

 

Doch warum fühlen wir so? Warum fällt akzeptieren so schwer?
Natürlich kann ich hier nur von meinen eigenen Erfahrungen mit dem Thema erzählen. Ich denke jedoch, dass vielen die einzelnen Unterpunkte bekannt vorkommen werden.

 

  1. Versagensängste
    Du hast dich für ein Studium entschieden, du hast dich da „reingefuchst“, du hast nicht nur Energie und Mühe, sondern auch Schweiß und Tränen in dein Fach gesteckt. Natürlich fühlst du dich, als würdest du versagen. Natürlich ist da eine Stimme in deinem Kopf, die dir sagt, wie schlecht das sei und wie schlecht du bist. Und wir Menschen stecken viel lieber in der Komfortzone fest und lassen diese Stimme schreien, demütigen uns selbst und tolerieren dies, als aktiv dagegen zu werden; etwas dagegen zu tun. Manchmal braucht man das. Manchmal braucht man diese Art des Selbstmitleids. Manchmal braucht man selbst auch diese Stimme
    .

  2. Selbstzweifel
    Es fällt schwer, diese „Entscheidung“ oder diese Wegkreuzung zu akzeptieren. Es fällt schwer, sich selbst mit der Entscheidung zu akzeptieren und meistens sind es sogar schon die Gedanken daran, die uns Angst einjagen, uns zweifeln lassen. Am meisten an uns selbst, an unseren Fähigkeiten, an unseren Talenten, unserem gesamten Sein. An diesem Punkt beginnt ein Teufelskreis und du fängst an, dich zu verlieren. Und das Gefühl wiederholt sich. Immer und immer wieder.

  3. Aussagen der Eltern, Freunde oder des Umfelds
    „XYZ passt so wahnsinnig gut zu dir!“, „Du hast es schon so weit gebracht!“, „Du schaffst das schon, gib alles!“ – Sätze, die man in solchen Phasen nicht hören, denken oder fühlen will. Sätze, die unsere ganz eigene, negative Stimme gut aufnimmt und gegen uns verwenden kann. Sätze, die sich tief in unseren Verstand bohren und mit denen wir uns selbst versuchen zu beweisen, dass es „vielleicht ja irgendwie doch noch klappt“. Solche Sätze bringen Entscheidungen ins Wanken, sie sorgen dafür, dass Menschen unsicher werden und denken nicht zu wissen, was richtig und falsch ist.

  4. Hoffnung
    Gespickt von den vorangegangenen Dingen ist die Hoffnung eines jeden, dass sich Umstände verbessern oder Probleme sich auflösen. Dass die Thematik leichter wird und wir „vielleicht doch irgendwie ‘nen Draht zu dem Kram“ bekommen können.
    Hoffnung ist gut. Hoffnung geleitet uns bestenfalls aus den finstersten Zeiten. Doch muss man auch sagen, dass Hoffnung an manchen Ecken und Kanten Verbissenheit prophezeit. Dass Hoffnung stur und uneinsichtig machen kann.
    Auch Hoffnung kann ein Blatt wenden und einen Geist vernebeln.

  5. Wut
    Ob die Wut sich selbst oder andere Menschen betrifft, ist irrelevant. Die Wut macht einen Menschen zu einer urteilsunfähigen Hülle. Wenn wir wütend sind, handeln wir impulsiv, verärgert, verbissen, verklemmt. Wir denken anders, wir fühlen anders. Wenn die Wut ein Herz oder ein Denken bestimmt, dann wird es schwer, sich selbst in Ruhe zu wiegen. Dann fällt es noch viel schwerer diese Gefühle loszulassen. Vor allem dann, wenn man wütend auf sich selbst ist.

  6. Fehlende Sicherheit 
    Was hält uns, wenn eine Alltagsstütze zerbricht? Was hält uns dann fest, wenn wir verlieren, was uns Halt gibt? Das fühlt man frühestens dann, wenn man sich mit dem Thema auseinandersetzt, spätestens aber, wenn man sich dafür entschieden hat.

    Denn dann beginnt das Gefühl des Fallens. Das Gefühl der Ruhelosigkeit. Man sieht sein Ziel nicht, geschweige denn den Weg dorthin.

All diese Punkte kann ich für mich bestätigenIch kenne die Wut, die Angst, den Zweifel, die Aussagen, die falsche Hoffnung. Ich kenne das tiefe, dunkle Loch und das Gefühl des Fallens.

 

Und dennoch kenne ich auch das sanfte, unscheinbare Gefühl der Freiheit, die mit dieser Entscheidung wie eine winzige Blume ihre zarten Blätter Richtung Sonne streckt. Ich kenne auch das Gefühl der Ruhe, die manchmal Überhand gewinnt und mich „einfach mal machen lässt“. Oder das Gefühl der Schwerelosigkeit, wenn ich merke, welcher Ballast anfängt, von meinen Schultern zu fallen. Und sei die Masse auch noch so winzig; aber es ist der Anfang. Der Anfang von etwas viel Wertvollerem.


All das gibt es auch. 

Und das möchte ich im nächsten Artikel teilen!