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Oberflächlichkeit und ihre Folgen

Oberflächlichkeit.

 

Das Wort, was jeder Mensch so gern verbannen und vermeiden möchte. Das Wort, was jedoch gleichzeitig so unglaublich viel Raum einnimmt. Sei es in den Herzen der Menschen oder in der Welt.

 

Dieses Wort und diese Eigenschaft ist ein Grund, weshalb ich diesen Blog erst ins Leben rief. Egal, was ich mache, wo ich bin, was ich treibe, was ich sehe oder denke, jedes Mal begegnet mir dieser „Umstand“.

Sei es im Studium (gerade bei diesem Studienfach), oder in der Freizeit. Selbst bei Freunden oder im Netz, bei neuen Kontakten, im Fernsehen oder bei populären Persönlichkeiten. Es dreht sich immer wieder um bestimmte Dinge:

Erfolg, Karriere und Reichtum auf der einen Seite; Tiefgang, mentale Gesundheit, Balance auf der anderen Seite.

 

Immer wieder sehe ich Menschen, die einen Mittelweg, die einen Ausgleich suchen. Immer wieder begegne ich solchen Menschen online, die verzweifelt versuchen, einen positiven Einfluss zu hinterlassen. Keinen schleifenden Fußabdruck im Sand, sondern einen starken, verewigenden Tritt.

 

Und jetzt sind wir bitte mal ehrlich… Wer von uns geht immer starken Schrittes? Wer geht immer aufrecht? Wer muss nie von müden Beinen oder müden Gedanken getragen werden? Und genau jetzt kommen wir auf denselben Nenner. Das funktioniert nicht. Und genau das wissen so viele, andere Menschen auch und sie versuchen es dennoch immer wieder, immer krampfhaft. Versuchen, sich selbst unglaublich gut zu verkaufen und tun dafür wahnsinnig viel. Versuchen zwanghaft, neue „Abonnenten“ zu generieren, neue „Follower“ zu gewinnen mit ihren positiven, übermenschlichen Beiträgen. Doch wo bleibt da die Menschlichkeit? Die Ehrlichkeit, vor allem zu sich selbst?
Immer wieder sieht man diese Menschen, nicht nur „draußen auf der Straße“, sondern auch hier, im World Wide Web, in dieser Art „Anonymitätsschale“.

 

Und genau hier sehe ich den Fehler. Diese Überpositivität und das andauernde fast-schon-Schreien nach Ehrgeizig und Erfolg, gemischt mit Tiefgang und der klägliche Versuch, doch noch ein wenig mehr Seele in irgendeinen Kanal oder Account zu stecken. Es fängt damit an, täglich die Bilder von Grinsebacken zu sehen, jeden Tag die Hashtags #liveyourlife, #staypositive, #lifegoals. Ich sehe keine Bilder von ungeschminkten, schönen Menschen. Ich sehe keine Bilder von Regentagen. Ich sehe keine Bilder von ehrlichen, traurigen Menschen. Ich lese keine nachdenklichen, überdenkenden Bildunterschriften. Ich lese keine kritischen Postings. Ich lese grundsätzlich nicht mehr viel. Und das liegt hauptsächlich daran, weil es nichts mehr zu lesen gibt. Nicht nur formal, sondern auch zwischenmenschlich gesehen. Ich meine, wenn ich Bücherstapel, tolle Einrichtung sehen oder aufmunternde Worte lesen möchte, wo mache ich das dann? Und was mache ich dann? Wo befinde ich mich dann? Schaue ich mir das verzerrte, angezogene Realitätsbild von Erfolg, Glücklichkeit und Karriere an, bei der es keinen Grund für „Bodyshaming“ oder Selbstzweifel gibt?

 

Wenn es mir nicht gut geht, dann gehe ich nicht auf Accounts und schaue mir an, was die Menschen dort heute (vermeintlich!) geschafft haben. Dann schaue ich mir nicht an, wie toll geschminkt oder organisiert diese Menschen sind. Meistens sitze ich in einem Raum voller Einsamkeit und denke nach. Nichts anderes tue ich dann.


Und jetzt die Frage: Was würde uns guttun? Was würden wir uns dann wünschen? Menschen, die immer wieder „for happiness strieven“ oder Menschen, die ehrlich durch genau die gleichen, schlechten Zeiten gehen und nicht alles so verdammt gut überspielen? Und auch hier kommen wir auf denselben Nenner. Wahrscheinlich, weil das menschlich ist. Wahrscheinlich, weil Traurigkeit und Tiefgang genauso zu einem Leben dazugehören, wie Glück, Freude und Erfolg. Die Frage ist nur, was wir daraus machen und ob wir uns immer mehr und immer wieder etwas vormachen wollen.

 

Genau das ist, was ich mittlerweile in jedem sozialen Netzwerk sehe. Angefangen mit Instagram vor vier Jahren. Man muss sagen, dass das Beschriebene zu dieser Zeit schon vereinzelt immer mehr und immer öfter zu sehen war, jedoch nicht so enorm, dass es meine Suche und meine Timeline übernimmt. Ich war immer der größte Fan von Ehrlichkeit, von „Realität“ auf meinem Account. Sei es 'ne Bildunterschrift oder 'n Hashtag. Instagram war immer mein „Rückzugsort“, meine kleine Ruheinsel, auf der ich Inhalte posten konnte und ernstgenommen wurde. Und jetzt, jetzt poste ich einen nachdenklichen oder (selbst-)kritischen Text und irgendein Algorithmus zerstört’s. Das ist sehr schade. Nicht nur, weil ich immer sehr gerne offen gepostet habe, sondern auch, weil es genau dieses verschwommene Realitätsbild immer mehr in den Mittelpunkt rückt.

Nach Instagram kam Twitter. Einfach, weil ich durch diese kurzen, knackigen Tweets mein Innerstes schlagartig nach außen reißen und mich irgendwie befreien konnte. Was sehe ich jetzt? Richtig. Retweets. Wovon? Von sehr flachen und sehr schlechten Witzen. Das sind ungefähr 70%. Dann gibt’s 25% Werbung und maximal 5% politische Kritik. Nicht, weil ich die falschen Menschen abonniert habe, sondern weil auch diese Menschen sich verbiegen. Und das auf einer Art, die in das gleiche Bild passt, wie das bereits erklärte Phänomen. Reichweite, Likes, Retweets.

Und ganz am Ende folgt tatsächlich noch Tumblr. Ein soziales Netzwerk, welches ich selbst als eines meiner anonymsten Inseln betrachte. Eine Plattform, auf der ich wahnsinnig ehrlich sein konnte. Und auch dort: Oberflächlichkeit. Leider Gottes musste ich gerade da dieses Phänomen am eigenen Leibe spüren. Lange Rede, kurzer Sinn: Ein trauriges Mädchen, ein trauriges Ende. Und das, obwohl viele Menschen es wussten. 

Genau das war der Zeitpunkt, der mich zum Nachdenken brachte. Will ich wirklich zu den Menschen gehören, die andauernd und immer mehr über-positiv durch’s Netz gehen? Die anderen Menschen dabei (logischerweise nicht immer absichtlich) unter Druck setzen und einen Profilhype damit aufleben lassen, immer glücklich zu sein? Nein. Definitiv nicht. Das bin nicht ich und das werde ich nie sein. Das kann ich nicht, das kann ich nicht mit meinem Gewissen vereinbaren und das kann ich auch nicht persönlich, real. Einfach, weil ich weiß, wie wahnsinnig gefährlich das sein kann, immer einen glücklichen Menschen spielen zu müssen. Aber das ist eine andere Geschichte.

 

Und jetzt kommen wir zu dem Punkt, was ihr euch wünscht. Von manchen weiß ich, dass unsere Meinungen identisch sind. Von vielen weiß ich, dass sie oft und am meisten an sich selbst zweifeln.

Ich möchte euch sagen, dass ihr nichts müsst. Ihr müsst euch nicht zwingen, immer glücklich zu sein. Ihr müsst nicht immer die Welt erobern wollen. Ihr müsst euch nicht unter Druck setzen, weil irgendwer einen „total perfekten“ Weg geht. Weil irgendwer irgendwie aussieht oder irgendetwas macht. Denn am Ende sind wir alle gleich. Wir alle gehen durch schwere und gute Zeichen. Wir alle sind Menschen. Wir alle kennen die Nächte, in denen unsere Dämonen unsere Träume rauben und wir alle kennen die Zeiten, in denen wir so sehr leuchten, dass sich nicht mal die Dämonen anderer in unsere Nähe wagen. Es kommt lediglich darauf an, was wir daraus machen.

 

Vielleicht war dieser Beitrag zu kritisch. Vielleicht war dieser Artikel zu emotional und zu verallgemeinernd. Aber das ist, was (vor allem) der Netzwelt fehlt. Emotion, Ehrlichkeit, Direktheit. Und das ist, was ihr hier immer erwarten könnt. Denn das bin ich.

Und das ist, was ich hier immer schaffen möchte. Meinen und vielleicht auch euren Rückzugsort. Dass ihr wissen könnt, dass es nicht nur euch so geht, wie es eben manchmal ist. Dass ihr nicht alleine seid. 

 

Ich wünsche euch eine tolle Woche,

 

eure Phéa